Molkerei Andechser treibt Zulassung von Stevia voran

5. April 2011

Eigentlich wollte ich meine Master­arbeit über Stevia ribaudiana schreiben. Ein natürlicher Süßstoff, der ungefähr die 300-fache Süßkraft von Zucker besitzt, dafür aber genauso kalorienarm wie seine synthetischen Geschwister. Außerdem besitzt das süße Kraut keine kariogene Wirkung und hat praktisch keinen Einfluss auf die Bauchspeicheldrüse. Alles wunder­bare Eigenschaften, die uns doch fragen lassen sollten, warum man in Deutschland Stevia noch nicht offiziell zugelassen hat. Bis­her ist das Kraut nur unter dem Deck­mantel eines Bade­zusatzes in der Kosmetik­abteilung von Bio-Super­märkten zu finden gewesen.

Meilenstein

Jetzt bin ich doch tatsächlich auf einen Bio-Joghurt der Molkerei Andechser gestoßen, der lediglich mit Stevia gesüßt war. Nach einem ersten Test der Sorte Sanddorn-Orange lautet mein Urteil: Lecker! Nicht zu süß, wie man es generell von einem Bio-Joghurt erwartet hätte. Auch der Preis lag im gewöhnlichen Rahmen.

Nachdem Andechser zwei verschiedene Sorten im Angebot hatte, sind sie nach kurzer Zeit schon wieder vom Markt genommen worden. Wo kann ich denn dann überhaupt mit Stevia gesüßte Lebensmittel kaufen?

Jenseits von Europa

Bis dato hatte ich die Information, dass Steviaerzeugnisse in der EU nicht als Lebensmittel oder Lebens­mittel­zusatz­stoff zugelassen sind. Die Begründung: Es fehlen überzeugende wissen­schaftliche Nach­weise, dass der Verzehr gesund­heit­lich unbedenklich ist. Das ist zwar auch bei Zucker und vielen anderen Natur­pro­dukten der Fall, doch die waren bereits auf dem Markt, bevor die Gesetze einen derartigen Nachweis forderten (Stichwort: Novel-Food-Verordnung).

In Südamerika, Japan, China und anderen Ländern wird Stevia schon lange ver­wendet. Bis­lang sind aus diesen Regionen keine gesund­heit­lichen Probleme bekannt geworden. Bereits 2008 hat die Welt­gesund­heits­organisation (WHO) Stevia-Extrakte als sicher ein­gestuft, wenn bestimmte Verzehrs­mengen nicht über­schritten werden.

Daraufhin hat die Schweiz Einzel­zulassungen für Stevia-Produkte erteilt. Ein Jahr später ließ auch Frank­reich ein 97 Prozent reines Glykosid als Lebens­mittel­zusatz­stoff mit einer Be­schränkung auf zwei Jahre zu. Im April 2010 schloss sich die Europäische Behörde für Lebens­mittel­sicherheit (EFSA) der Einschätzung der WHO an. Dennoch ist Stevia als Süß­stoff in Deutsch­land und fast der gesamten EU bisher nicht zugelassen.

Europäische Studien

Nach Studienerkenntnissen aus 2010 der EFSA wurde bewiesen, dass Stevia weder geno­toxisch noch krebs­erregend ist.

Im Januar 2011 hat die EFSA ein neues Gutachten über die vermutete tägliche Verzehrs­menge von Steviolglykoside durch die Verbraucher bei bestimmten Lebens­mittel­gruppen vorgelegt. Basis der neueren Berechnungen waren bean­tragte Einsatz­mengen für Steviol­glykoside in Lebens­mitteln.

Durch das Gutachten der EFSA hat die EU-Kommission nun die Grundlage für die Aus­arbeitung eines Entwurfes für die Zulassung von Steviol­glykosiden in der EU. Gemäß Ver­laut­barungen des zuständigen Kommissars im EU-Parlament soll ein Verordnungs­entwurf bis zum 28. Juni 2011 erstellt werden. Danach wird dieser Entwurf im Europäischen Rat besprochen und gegebenen­falls auch beschlossen. Es könnte dann bis zum Ende des Jahres 2011 oder Anfang 2012 zu einer Zulassung von Stevia in der EU kommen. Solange aber ein Entwurf für eine Zulassung nicht vorliegt und der Europäische Rat keine Stellung­nahme dazu abgegeben hat, bleibt alles noch Spekulation.

Ausblick

Es liegt an mutigen Firmen wie Andechser, bereits jetzt Investi­tionen zu tätigen, um sobald wie möglich fertige Produkte auf den Markt zu bringen. Dabei riskieren sie auf ihren Kosten sitzen zu bleiben, denn die büro­kratische Maschinerie kann jeden Fort­schritt schnell wieder zunichte machen.

Einen anderen Gegen­wind gibt es wahr­schein­lich auch seitens der Hersteller synthetischer Süß­stoffe. Man sollte bedenken, dass Stevia als reines Natur­produkt nicht patentiert und somit auch nicht mono­polisiert werden kann. Deren Her­steller werden insofern jede Karte ausspielen wollen um die Einführung von Stevia zu verzögern.